Es sollte ein schwarzer Tag in der Geschichte der Gemeinde Wehingen werden, jener 28. Oktober 1828.
Der Ort zählte damals rund 1.100 Einwohner. Der 23. Oktober war ein schöner Spätherbsttag. Es ging kaum ein Wind und nichts kündigte das Unheil an, das gegen halb ein Uhr am Mittag im Hause des Joachim Fischinger und Martin Reiner seinen Ausgang nahm. Dort brach um diese Zeit das Feuer aus. Schnell griff es auf die benachbarten Gebäude über und innerhalb von einer Stunde stand das halbe Dorf in Flammen. Die mit Holzschindeln bedeckten Dächer brannten wie Zunder und schließlich hatte das Feuer 43 Gebäude der Gemeinde in Brand gesetzt. Der größte Teil der eingebrachten Ernte wurde vernichtet und 76 Familien wurden durch die Katastrophe obdachlos. Schnelle Hilfe aus den Nachbargemeinden linderte die größte Not, doch noch während des Wiederaufbaus war Jedem klar, dass sich solch ein Unglück nicht wiederholen dürfe.
Wie konnte es zu einem solch verherenden Brand überhaupt kommen?
Da war zunächst die Bauart. Die Dächer waren, wie bereits erwähnt, fast durchweg mit Holzschindeln belegt. Sie boten dem Feuer eine ausgezeichnete Nahrung. Hinzu kam, dass die Häuser sehr eng aneinander gebaut waren. Noch schlimmer aber war, dass es eigentlich kein richtig organisiertes Feuerlöschwesen gab.
Bemühungen, ein halbwegs geordnetes Feuerlöschwesen zu begründen, können bis ins Jahr 1808 zurückverfolgt werden. Damals war Feuerwehrmann, wer ein Pferd besaß. Diese etwas verkürzte Formel sagt über die Organisation eigentlich schon alles aus. Eine Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1835 ergab an Feuerlöschgeräten 1 Feuerspritze, 4 Feuerzangen, 6 Leitern und 64 Stroh-Eimer. Damit war freilich nicht sehr viel Staat zu machen, geschweige denn ein Großbrand zu löschen, wie er 1828 in der Gemeinde wütete. Dennoch, die Wehinger als “Gebrannte Kinder” waren zu dieser Zeit manch anderer Gemeinde in Sachen Feuerlöschwesen schon einiges voraus. Doch von einer geordneten Feuerwehr konnte natürlich keine Rede sein. Im Jahre 1850 schrieb der Feuerwehrpionier C. C. D. Magirus “nach so vielen und so traurigen Erfahrungen ist es in der That unbegreiflich, wie sich die Löschanstalten bis jetzt allenthalben in so mangelhaftem Zustand erhalten konnten”. Für ihn lag die Wurzel des Übels in der Struktur der Feuerwehr oder dem, was man damals dafür gehalten hatte. “An der Spitze (der Mängel) steht das Grundübel, der Mangel eines geregelten Zusammenwirkens, der Mangel einer durchgreifenden Oberleitung”. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Brand-Wehrpflicht, die der Staat für sich reklamierte, folgerte Magirus, dass es auch eine Feuerlöschpflicht für den Bürger geben müsse, und jene, die sich der Pflicht entzögen, müssten demnach mit Strafen belegt werden. Ein anderes Prinzip, das Magirus entwarf, hat in allen Feuerwehren noch heute Gültigkeit. Er teilte die Feuerwehr in sinnvolle Züge auf.
Unter dem Eindruck des großen Brandes von 1828 war die Ausrüstung erheblich verbessert worden. Die Gemeinde verfügte nun bereits über zwei Feuerspritzen, davon eine Wagenspritze. Es waren auch komplette Einsatzpläne vorhanden. Bezeichnenderweise bestimmte § 2 der Verordnung, wie die Akten zu retten seien, wenn es in einem öffentlichen Gebäude brennen sollte. Die gesamte Dorfgemeinschaft war laut diesem Papier im Falle eines Brandes auf irgendeine Weise zur Hilfeleistung verpflichtet. Da es noch kein Feuerwehrmagazin gab, lagerten die Gerätschaften auch nicht zentral. So war beispielsweise die große Spritze in der Zehntscheuer untergebracht, die kleine Feuerspritze lagerte mit anderen Geräten im oberen Schulhaus. Feuerreiter gab es in Wehingen nicht, für diesen Dienst, nämlich Pferde für die Löschmannschaften zu stellen, konnte jeder herangezogen werden, der Pferde besaß. Die Kirchenglocken gaben eine bestimmtes Signal, wenn Feuer in einem Nachbarort ausgebrochen war und die Wehingen zu Hilfe eilen mussten. Ganz deutlich zeigt die Feuerlöschverordnung vom April 1851, dass sich das Feuerlöschwesen in einem Umbruch befand. Verbesserungen im organisatorischen Bereich wurden vollzogen, um mit den neuen technischen Fortschritten mithalten zu können. Mit der Industrialisierung wurden auch größere Anforderungen an die Feuerwehren gestellt, sie bekamen auch besseres Material in die Hände. Welchen technischen Sprung die Feuerwehrtechnik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machte, verdeutlich ein Wehinger Gemeinderatsprotokoll, in dem eine Bestandsaufnahme der Geräte verzeichnet ist. der Bezirkslöschinspektor fand unter anderem vor: 160 m Druckschläuche, eine Wagenleiter, eine Wagenleiter mit Bockleitervorrichtung, eine 5 m lange Gestellleiter, 4 Steckleitern, 3 Drehleiter, 3 Feuerhaken, 4 Wasserbehälter mit je 80 l Fassungsvermögen. Die Feuereimer waren mittlerweile aus Holz mit Eisenreifen anstatt aus Stroh.
Mit der Einführung der Pflichtfeuerwehr war in Wehingen die Feuerlöschverordnung von 1851 ungültig, die nur drei Einteilungen in Abteilungen kannte: I. alle ledigen Männer zwischen 16 und 40 Jahren, II. alle verheirateten Männer bis 40 Jahren, III. alle Männer zwischen 40 und 45 Jahren. Auch im gesellschaftlichen Bereich wuchs der Feuerwehr eine immer größere Bedeutung zu. 1876 erhielten die Wehinger Floriansjünger ihre erste eigene Fahne; 8 Jahre später fand in Wehingen das 8. Gau-Feuerwehrfest statt. 1906 nahm die Wehinger Steigerabteilung am Landesfeuerwehrfest in Tuttlingen teil.
Dass es in Wehingen nie mehr zu Brandkatastrophen wie 1828 kam, war zum größten Teil der Verdienst einer gut ausgebildeten und schlagkräftigen Wehr. Zahlreiche Brände wurden in diesem Jahrhundert rechtzeitig bekämpft und damit Schlimmeres verhütet. Dennoch blieb Wehingen auch in unserem Jahrhundert nicht von Großbränden verschont. Zu einem der größten Brände dieses Jahrhunderts kam es – fast genau 100 Jahre nach dem Ortsbrand – als im Winter 1928 das Wohn- und Ökonomiegebäude des Waldschützen Betsch bis auf die Grundmauern niederbrannte. Dabei zeigte sich die mangelnde Wasserversorgung zur Brandbekämpfung, weshalb im gleichen Jahr Schritte zur Behebung dieses Mangels eingeleitet wurden. Eine wichtige Verbesserung ergab sich für die Wehinger Feuerwehr im Jahre 1937, als die Gemeinderat die Anschaffung einer Kleinmotorspritze mit 800 l Förderleistung bewilligte.
Die Dezimierung der Feuerwehrmannschaft durch den Einzug von Soldaten im Zweiten Weltkrieg macht eine Neueinteilung der Feuerwehr notwendig. Die Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren wurden in die Feuerwehr mit eingereiht. So versah der spätere Feuerwehrkommandant Adolf Narr bereits als 15jähriger seinen Dienst bei der Wehr. Nach dem Krieg wurden zunächst Karl Hafen und Anton Walz als kommissarische Kommandanten eingesetzt, ehe Adolf Narr dieses Amt 1950 übernahm. 31 Jahre lang blieb er Kommandant der Wehingen Feuerwehr, bis er 1981 sein Amt an Hans-Joachim Haering abgab, von dem es 1986 Erich Draxinger übernahm.
Im Sommer 1950 kam es erneut zu einer Brandkatastrophe. Diesmal fielen die Gebäude Narr und Herbst in der Gosheimer Straße dem Feuer zum Opfer. Nur 2 Jahre später sollte das bislang härteste Einsatzjahr der Wehinger Freiwilligen Feuerwehr folgen. Trauriger Höhepunkt war der Brand der Gebäude Albrecht und Rees in der Brunnenstraße, die völlig eingeäschert wurden. In dem heißen, trockenen Sommer brach die Wasserversorgung völlig zusammen, weshalb die Feuerwehr schließlich in höchster Not versuchte, mit Gülle des Brandes Herr zu werden. Bei diesem Einsatz gab die alte Motorspritze ihren Dienst auf. Als Ersatz kam das TS 8 auf einem Zweiradanhänger. Ein Ford TSF wurde 1956 angeschafft. Das Löschfahrzeug LF 8 war 1967 die nächste große Anschaffung. Nicht nur Brände, sondern auch Verkehrsunfälle kamen nach dem Weltkrieg in den Aufgabenbereich der Feuerwehr. Zudem wurde sie völlig in den Katastrophenschutz eingegliedert, was sich 1975 bewährte. Am 23. Juni entlud sich über dem Heuberg ein Unwetter von bis dahin nicht gekannten Ausmaßen. Ganze Dörfer wurden überflutet, Brücken weggerissen und Vieh getötet. Die Ortsmitte von Wehingen stand einen Meter unter Wasser. Das bedeutete für die Wehinger Feuerwehr mehrere Tage Großeinsatz. Nur zwei Wochen später brach in der Firma Schnee ein Großbrand aus, der den Betrieb fast völlig zerstörte.
Diese Unglücksfälle bestätigen, dass eine Feuerwehr nie gut genug ausgerüstet sein kann. So war es eine wichtige Ergänzung, als 1979 das Tanklöschfahrzeug TLF 16 in Dienst gestellt wurde. Fast noch wichtiger war die Inbetriebnahme der Rettungswache 1981, in der Feuerwehr und Rotes Kreuz unter einem Dach vereint sind. 1990 bekam die Feuerwehr als weiteres Fahrzeug ein neues LF8 und 1999 einen Schaum-Wasser-Werfer.
Als vor einigen Jahren die Wehinger Wehr zu einem nächtlichen Einsatz nach Deilingen gerufen wurde, wo sie bei Sturm und Schneeregen gemeinsam mit den Wehren aus Gosheim und Deilingen einen schweren Wohnhausbrand bekämpfte, war es dem beherzten Einsatz der 3 Wehren zu verdanken, dass nur eines der insgesamt vier aneinanderstehenden Gebäude stark beschädigt wurde. Kreisbrandmeister Riedlinger zollte damals den Feuerwehrmännern ein großes Lob. Vor allem durch den Sturm hätte sich dieses Feuer zu einer der größten Brandkatastrophen auf dem Heuberg in diesem Jahrhundert ausweiten können.
Die Entwicklung wird weitergehen, und die Feuerwehren können nie komplett genug ausgerüstet sein. Brände und Unglücksfälle wird es immer geben, und die Gefahren sind durch den technischen Fortschritt eher noch größer geworden. Dass aber der Bürger nachts dennoch ruhig schlafen kann, verdankt er auch jenen Männern, die sich in der Feuerwehr für den Schutz des Nächsten einsetzen.